Anlass für diese Geschichte war die Aktion einiger Kinder im Rahmen der Auseinandersetzung um die Kinderrechtskonvention.

 

Picknick

 

 

 

 "Martin!"---- "Martin!" ---- "Martin, kommst Du jetzt endlich?" "Ätzend, echt ätzend," Martin ächzte, als er von der Bank aufstand. "Das geht mir echt auf den Senkel!" Martin schimpfte vor sich hin, als er zur Haustüre rannte. Vater wartete nicht gerne, wenn das Essen auf dem Tisch stand. Quer über die Wiese, die den Spielplatz, auf dem sie sich immer trafen, umschloss. Dort saßen sie fast jeden Nachmittag auf der Bank und lästerten über die kleineren Kinder. Naja, Wiese war vielleicht zu viel gesagt bei diesem Fetzchen kurzgeschnippselten Rasens.
 

"Scheiße!" fluchte er, als er in etwas Weiches trat, und musste im gleichen Augenblick lachen, als ihm klarwurde, dass sein Fluch die Lage ziemlich genau traf. Überall waren sie zu finden, die kleinen und großen Häufchen vieler so "liebenswerter" Köter, dachte er, als er versuchte, seinen Schuh im Gras sauber zu kriegen. Jetzt konnte er sich wieder irgend so eine Litanei anhören über Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit und was sein Alter da so drauf hatte.

 
Das ganze Treppenhaus hoch fluchte er stumm vor sich hin. Irgendwas musste da mal passieren, dachte er grimmig. Aber bis zur Wohnungstüre war sein Zorn fast schon wieder verraucht. Und - jetzt musste er sich eine Erklärung zusammenstellen.

 
Als sein Vater öffnete, platzte er sofort mit seinem Missgeschick heraus... Angriff ist die beste Verteidigung, hatte er sich überlegt. Nu ja nicht zu Wort kommen lassen... Er war fast überrascht, dass es dann so gut klappte, ja sein Vater gab ihm in seiner Empörung recht, wollte wohl gerade auch zu schimpfen beginnen, über unbeaufsichtigte Köter und den Dreck...

 
Als er dann aber von früher zu erzählen (schon wieder) begann, und wie er und seine Kumpels sich gewehrt hätten, würgte Martin ihn ab: "Ich habe Hunger. Was gibts?"



Schwierig würde das nur morgen werden. Lisa hatte in der Schule vorgeschlagen, ein Sommeranfangs-und-gutes-Wetter-Begrüßungspicknick zu veranstalten. Martin hatte versprochen, seinen CD-Player und seine Techno-Sammlung mitzubringen. Lisa hatte eine Decke angekündigt, zu Essen und Trinken wollte jeder was mitbringen. Ralf und Tim und Janin hatten auch zugesagt. Und bei der Gelegenheit konnten sie gleich zusammen ihre Hausaufgaben erledigen.

 
Aber: ein Picknick zwischen Hundehaufen? Sehr appetitlich. Geradezu genial.

 
Sie trafen sich wie vereinbart nach der Schule an der Schultüre. Und es kam., wie er sich das gedacht hatte: Egal, wo sie ihre Decke ausbreiteten, immer mischte sich in den Duft des gebratenen Hähnchens ein anderer, nicht ganz so appetitlicher zweiter Duft hinein.

 
"Also das ist ja zum Kotzen," wollte Martin sagen, und musste wieder grinsen, als er merkte, wie nah er damit der Wirklichkeit kam. "Lassen wir uns das bieten. das Gestinke?" fragte er stattdessen. "Kannst ja doch nix tun" meinte Tim. "Und ob!" empörte sich Lisa. "Der Fahrradladen an der Ecke hat heute Neueröffnung," meinte sie, "und da gibts Papierfähnchen. Zum Wedeln. Nur das wir nicht damit wedeln. Wir holen uns welche und stecken die in die Häufchen. In jedes eins." "Und dann?" wollte Janin wissen. "Weiß ich noch nicht. Sieht aber bestimmt komisch aus".

 
Und es sah wirklich komisch aus. So komisch, dass man direkt ein Foto machen musste mit dieser Beflaggung der Hundescheisshaufen. Einen ganzen Film verknippsten sie und gackerten dabei die ganze Zeit vor Vergnügen. "Und wenn der Film entwickelt ist, hängen wir die Bilder hier überall auf!" Martin fühlte schon: Das war Revolution! Aufstand! Revolte! "...und wenn wir die Fotos einfach nur ans Rathaus schicken?" riss ihn Janin wieder aus seinen Revoluzzerträumen...

 

 

 

 

(Juni 99)